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In der Ruhe liegt die Kraft... oder warum Ruhe und Schlaf super wichtig sind aber ganz oft auf die Entspannung vergessen wird


Hundetrainer:innen sind auch nur Hundehalter:innen, vor allem wenn´s um die eigenen Hunde geht. Da steht man oft im Wald und wundert sich wo zum Teufel die ganzen Trolle herkommen und noch ehe man „bei uns ist grad ordentlich der Wurm drin“ ausgesprochen hat, findet man sich inmitten eines nervenaufreibenden Kleinkrieges mit den Nachbarn, den keiner will und schon gar nicht braucht. Aber alles der Reihe nach...!

 

Ich dachte immer, dass meine Hunde ausreichend Ruhe und Schlaf haben. Haben sie auch! Eigentlich. Denn in der kalten Jahreszeit ist es – zumindest für mich – einfacher, ausgeglichene Hunde zu haben. Die Draußen-Zeit ist schlichtweg begrenzt, die Hunde kommen nach unterschiedlichsten Aktivitäten sehr schnell zur Ruhe, haben ihre Schlafplätze, wo sie niemand stört, Kleinkinder gibt’s bei uns auch nicht mehr und Besuch ist gut zu managen. Darüber hinaus sind diverse Geräusche von der Straße gedämpft, da sämtliche Fenster nur zum Lüften aufgemacht werden. Der Postbote wird erst wahrgenommen, wenn das Postkastl klappert.

 

Nach jedem Winter aber folgen wärmere Tage – wenn auch manchmal nur punktuell aber vielleicht ist es gerade auch deshalb so fordernd. So oder so drängt es alle nach draußen, Menschen und Tiere werden aktiver, erstere wollen die frühlingshaften Sonnenstrahlen genießen – in Ruhe... Spätestens an diesem Punkt treffen Welten aufeinander. 

 

„Autotür im Nordosten viiiieeel zu laut zugeknallt!!! Das schreit nach einer Verwarnung! Nein besser zwei Verwarnungen...! Oh verdammt.... übernächstes Haus!! Ein Mensch bewegt sich im Garten!! Dafür wurde keine Genehmigung erteilt!! Ich wiederhole KEINE!!!! GENEHMIGUNG!!!!... Was zur Hölle.... ist das eine Kat.... das ist eine KAAAAAATZEEEE!!! Sie nähert sich auf elf Uhr der SPERRZOOOOONE!!!! ALAAAAAAAARM!!!! ROTER ALAAAARM!!“ …die Reaktionen auf das Postauto in unserer Einfahrt, auf liebestolle Hasen und orientierungslose Rehe auf der Wiese kann sich, glaub ich, jeder ausmalen ;)

 

Kurz gesagt, ich war gezwungen zu handeln. Für meine Familie, für meine Nachbarn, für unseren Seelenfrieden aber vor allem für meine Hunde!! Hunden in einer so hohen Erregungslage geht es einfach nicht gut! Das ist eine Tatsache. Auch wenn man Hunde hat, die hauptberuflich Hausmeister in ihrer Job-Description stehen haben. Diesem Job kann man auch entspannter nachgehen.

Die Ursache des ganzen Übels war schnell gefunden. Dadurch, dass wir alle mehr Zeit im Freien verbrachten – neben den Spaziergängen hielten wir uns länger im Garten auf – hatten die zwei Wilden schon ein wenig weniger Ruhe und Schlaf untertags. Ausschlaggebend aber war die Tatsache, dass sie die Gartenzeit nicht mit Entspannung in Verbindung gebracht haben! Oder zumindest habens sie´s über den Winter vergessen. Selbst mein Gepetto, der es immer geliebt hat, auf der Terrasse zu liegen und das Treiben auf der gegenüberliegenden Wiese aufzusaugen, musste plötzlich alles kommentieren. Er rannte jedem Vogel, der sich unserem Garten genähert hat lautstark hinterher, musste jede Wühlmaus persönlich begrüßen – unterirdisch versteht sich – und das „allerbeste“ überhaupt, er teilte meinen Freddo zum Arbeiten ein!!!! „Hey, Freddo, die Enten sind wieder da! Komm schon, die mischen wir auf!!“ Sobald ich versucht habe, Freddo durch verbales Lob – suuuper machst du das – aus einer Situation rauszubekommen, war der kleine Wilde in Alarmbereitschaft, die ihresgleichen suchte. 

Was ich hier beschreibe, sind alles Symptome eines Ungleichgewichts und es hätte zu genau gar nichts geführt, hätte ich diese Verhaltensweisen unterdrückt, verboten oder gar bestraft. Es galt also an der Ursache zu arbeiten, den Hunden zu vermitteln, dass auch in diesem Jahr der Garten in entspanntem Zustand genutzt werden darf und dass man sich nicht gegenseitig aufstacheln muss wenn Herr und Frau Maulwurf einen Pups lässt.

 

Letztendlich habe ich mir die unterschiedlichen Persönlichkeiten und das unterschiedliche Lernverhalten meiner beiden Hunde zunutze gemacht. 

 

Freddo liebt es, wenn ich sehr konkret und sehr klar bin. Er liebt es, für mich einen Job zu machen und strahlt mich an, wenn er merkt, er hat es verstanden, was üblicherweise ziemlich schnell passiert. Bei ihm bin ich eher in der Verantwortung, ein gutes Maß zu finden, damit der kleine Weiße nicht zum Workoholic mutiert und sich erst recht nicht mehr spürt.

 

Gepetto lernt am besten durch Nachahmung. Etwas was ich richtig faszinierend finde. Wenn ich mit ihm etwas erarbeiten möchte – z.B. im Bereich der Nasenarbeit – ist es immens hilfreich, wenn er es zuerst beim Freddo beobachten kann. Dann braucht er meistens noch ein bis zwei Tage zum Verarbeiten und dann kann er es.

 

Das Mittel der Wahl waren Management-Maßnahmen und  Markertraining, zweiteres vor allem für Freddo. Wie gesagt, Gepetto hat sich das Ganze erstmal angesehen.

 

Konkret heißt das:

*) Einüben von Abläufen – das fällt schlichtweg unter Routinen und Hunde lieben Routinen, die Sicherheit geben.

 

*) Punktgenaues Bestätigen von Verhalten (das ist ein Unterschied zu verbalem Lob – zumindest was Freddo betrifft, wie gesagt, er liebt es konkret)

 

*) Hausgeschirr und Hausleine, damit wir überhaupt gut sortiert in den Garten kommen konnten. Hätte ich z. B. auf ein Sitz vor der Terrassentür bestanden, wäre die Aufregung schon im Haus hochgeschossen. Hätte ich die Hunde körperlich geblockt, wäre es zu einem unguten Tumult gekommen, die Aufregung wär ebenfalls gestiegen und außerdem braucht sowas niemand um in die Entspannung zu kommen und sonst auch nicht ;)

 

*) Leine im Garten – meistens am Freddo, weil er derjenige ist, der sehr schnell hochzudrehen beginnt. Sobald er meine Hilfestellung (Leine!) spürte, ist es Gepetto ebenfalls sehr leicht gefallen, entspannt zu bleiben. Es war ja plötzlich keiner mehr da, den er anstacheln konnte (und das meine ich nicht negativ!)

 

*) Gezielte, zeitlich begrenzte, gemeinsame Gartenzeiten damit ich unterstützen konnte, wann immer es nötig war – anfangs war eine halbe Stunde mehr als genug und die Hunde sind gerne wieder ins Haus, um zu schlafen.

 

*) Gemeinsam sitzen und schauen (der eine auf seiner Decke, die er liebt, der andere daneben im Gras), langsames Streicheln, massieren von Körperstellen.

 

*) Bestätigen und belohnen von Anzeigen und Anzeigen verlängern

 

*) Die Hunde aktiv aus einer schwierigen Situation herausholen, u.a. mithilfe der Leine

 

*) Gartenzeiten nach dem Spazieren gehen wurden sehr kurz gehalten und dienten nur noch, um wieder anzukommen. Danach ging es sofort ins Haus, was dankbar mit tiefem Schlaf angenommen wurde.

 

*) Die ruhigeren Wochentage haben uns geholfen, das aufregendere Wochenende gut zu meistern

 

Insgesamt habe ich – wenn man so will – gut zwei Wochen an wirklich intensivem Training und Management „investiert“. Das war der Anfang. Danach wurde die Gesamtsituation deutlich besser und die Hunde haben mehr und mehr gezeigt, dass sie eigenständig mit der Situation im Garten umgehen können.

Was aktuell möglich ist:

*) Ruhiges, sortiertes In-den-Garten-gehen ohne Leine

 

*) Entspanntes Liegen und Beobachten im Garten

 

*) Wahrnehmen der Nachbarn, die sich im Garten bewegen und auch Geräusche machen ;)

 

*) Anzeigen von (Wild-)Tieren, die nicht direkt am Gartenzaun vorbeigehen. 

 

*) Melden und bellen in normalem Rahmen – also so, dass niemand die Nerven schmeißen muss. Weder Hund noch Mensch.

 

*) Hausmeistern in entspanntem Zustand ;)

 

*) Selbständiges ins Haus gehen, wenn es im Garten zu anstrengend wird. Das kann Gepetto eindeutig besser, Freddo braucht da noch ein bissl Unterstützung.

 

 

Was sich darüber hinaus verändert hat:

*) Entspanntere Spaziergänge – vor allem die, wo wir zu dritt unterwegs sind

 

*) Entspannteres Miteinander unter den Hunden

 

*) Deutlich unaufgeregtere Begrüßung beim Nachhausekommen von Familienmitgliedern

 

*) Deutlich unaufgeregtere Begrüßung von Besuch

Selbstverständlich gibt es noch das eine oder andere, wo die beiden richtig laut werden müssen und das dürfen sie auch. Zum Beispiel wenn eine Katze am Hüttendach sitzt oder direkt vor unserem Garten vorbeigeht. Oder wenn Menschen mit und ohne Hund direkt bei uns am Garten vorbeigehen. Oder abends wenn die Köpfe schon angefüllt sind von all den Eindrücken, die sich den ganzen Tag über ansammeln, ist die Zündschnur halt schon ein bissl kürzer. Und dann gibt es auch noch Tage, an denen es „besser“ geht und andere Tage. Auch das darf sein! 

 

 

Alles in allem haben die getroffenen Maßnahmen unsere gesamtes Zusammenleben positiv beeinflusst. Ich hab wieder enorm viel über meine Hunde gelernt, darüber wie individuell Lernen ist, wieviel Spaß Hunde am Lernen haben und wie sehr uns das noch ein Stück weit zusammenwachsen ließ.

 

 

Im Zusammenleben mit Hunden gelange ich immer wieder an denselben Punkt – es ist unerlässlich, individuell hinzuschauen, das Gesamtbild zu sehen, um Symptome richtig einzuordnen. Zu unterstützen wo und wann immer es nötig ist, um Hunden damit einen sicheren Halt zu geben. Und so sind die beiden Wilden noch immer ausreichend wild und erfreuen sich ihres Lebens. Jedoch ein wenig gelassener... 

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